Von der Raupe zum Schmetterling...
"Es ist das Ende der Welt" sagte die Raupe.
"Es ist erst der Anfang" sagte der Schmetterling.
Das Bild der Entwicklung eines Schmetterlings beschäftigt mich sehr. Zuerst die Raupe, die ungefähr 4 Wochen lang frisst sich häutet und weiter frisst, bis sie sich verpuppt.
Dort in diesem Kokon verliert die Raupe ihre Existenz. Sie löst sich auf. Es entsteht sozusagen eine lebendige Raupensuppe, die alles beinhaltet was der zu werdende Schmetterling benötigt. Spannend ist auch, dass einige Mini-Gewebeanteile der Raupe übrigbleiben und die Basis für den Schmetterling bilden.
Dann entwickelt sich der neue Schmetterling, um am Ende aus seinem Kokon zu schlüpfen. Das Schlüpfen ist harte Arbeit für den Schmetterling und benötigt Zeit und vor allem alle seine Kraft. Doch dann wenn er sich aus dem Kokon befreit hat und seine Flügel das erste Mal entfaltet und losfliegt, dann haben sich alle Mühe, alle Phasen bis er zu diesem wundervollen Geschöpf geworden ist, gelohnt.
Ich selbst kenne alle drei Stadien und werde sie wohl immer wieder durchleben auf meiner Reise durch mein Leben.
Die Phase der Raupe, die sich glücklich von Blatt zu Blatt frisst und wenn der Panzer zu eng geworden
ist, sich einfach mal kurz häutet und dann weiterfrisst.
Doch irgendwann kommt der Tag, an dem eine Sehnsucht in der Raupe erwacht. Sie spürt, dass es noch mehr geben muss, als nur fressen und häuten. Anfangs ignoriert sie diese leise Stimme der Sehnsucht, sie will so weiterleben, so weitermachen wie bisher. Das Leben war doch gut so, es war doch alles ok. Warum sollte es nicht immer so weitergehen?
Doch die Stimme der Sehnsucht wird stärker, alles wird auf einmal eintönig und grau. Die Blätter schmecken nicht mehr, der Panzer ist schon wieder zu eng und die Sehnsucht beginnt, übermächtig zu werden. Und so langsam wird die Sehnsucht auch konkret. Es entsteht das Bild eines Schmetterlings in ihr.
Doch wie soll das gehen? Wie soll ich Raupe ein Schmetterling werden? Unmöglich! Und so macht sie weiter- mit einer unstillbaren Sehnsucht und mit zunehmender Traurigkeit im Herzen - einfach das, was sie schon immer getan hat: fressen.
Es fällt ihr jeden Tag schwerer. Nachts träumt sie davon über die Felder zu fliegen, von Blume zu Blume.
Bis eines Tages die Sehnsucht so übermächtig geworden ist, dass sie weiß, wenn sie jetzt nicht springt, es einfach riskiert, dann wird sie zugrunde gehen. Sie hat immer noch keine Ahnung wie sie zum Schmetterling werden soll, doch der Ruf in ihr ist so stark, dass sie das tut was sie instinktiv weiß, was sie tun muss: sie sucht sich einen sicheren Ort und fängt an sich zu verpuppen.
Ihr Herz zittert vor Angst vor dem Unbekannten. Wie wird es weitergehen, was wird kommen, wird es eine Zukunft für sie geben, ist es die richtige Entscheidung? Diese nagenden Fragen werden abgelöst von Phasen der Euphorie, des Glücks, der freudigen Erwartung, der Gewissheit, dass es der richtige Weg ist.
So geht es die ganze Zeit über, bis der Kokon fertig gesponnen ist.
Dann häutet sich die Raupe zum letzten Mal. Sie spürt die Endgültigkeit, die in dieser Tat liegt. Danach gibt es kein Zurück mehr. Und ja, sie hat Angst, es ist ihr so sehr bange davor und doch drängt es sie unaufhaltsam dorthin. Es ist der glasklare deutliche Ruf ihrer Seele, dem sie nun folgt.
Nach dem Häuten beginnt die Auflösung. Es fühlt sich wie sterben an. Und es ist auch ein gewisser Tod, den sie stirbt. Es ist ein sehr ekliges Gefühl. Ein Zustand, der kaum auszuhalten ist. Sie ist keine Raupe mehr und sie ist noch kein Schmetterling.
Was ist sie? Was soll sie tun? Ihr Körper schreit, ob dieser Auflösung. Ihre Seele, ihr Geist – alles in ihr wehrt sich. Dieses Zwischenstadium, diese Fragilität, diese Einsamkeit, die Ungewissheit, diese Zweifel, ob es die richtige Entscheidung war – alles ist unsicher, alles scheint im Chaos zu versinken.
Und langsam, Schritt für Schritt, kaum merklich, entsteht etwas Neues, der Schmetterling nimmt Form an. Es gleicht einem Wunder!
Doch noch ist er nicht lebens- oder überlebensfähig. Und das weiß der kleine Kerl sehr gut. Noch steht die mühsame Befreiung aus dem Kokon bevor. Er spürt, dass er da alleine durch muss. Und er will da durch. Er will sich dem Leben stellen und er verspürt den unbändigen Drang in sich zu fliegen, sich der Welt zu zeigen. Die alte Sehnsucht der Raupe ist auch in ihm und er will das in die Welt tragen, was die Raupe gesehen und für was sie sich auf den Weg gemacht hat. Es ist seine Mission geworden.
Langsam und zitternd entfaltet er seine Flügel. Jetzt müssen sie nur noch trocknen und dann ist er bereit sich der Welt zu zeigen. Tiefe Dankbarkeit erfüllt den neugeborenen Schmetterling. Dankbarkeit, dass die Raupe ihrer Sehnsucht gefolgt ist und sich auf den Weg gemacht hat. Dankbarkeit, dass er leben darf und dass die Botschaft der Raupe ganz klar in seinem Inneren ertönt.
Ein neuer Lebensabschnitt steht bevor! Ein neues Leben! Noch einmal horcht er in sich hinein, ob er bereit ist für dieses Leben.
Und JA! er ist es. Dann breitet er seine Flügel aus und fliegt in die Welt hinaus.
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