Sie kennen sicher das Gedicht von Rainer Maria Rilke, wobei es kein Gedicht im eigentlichen Sinne von ihm ist. Es wurde nach meinen Recherchen aus verschiedenen Briefauszügen zusammengefügt:


„Man muss den Dingen

die eigene, stille

ungestörte Entwicklung lassen,

die tief von innen kommt

und durch nichts gedrängt

oder beschleunigt werden kann,

alles ist austragen –

und dann gebären...


Reifen wie der Baum,

der seine Säfte nicht drängt

und getrost in den Stürmen des Frühlings steht,

ohne Angst,

dass dahinter kein Sommer

kommen könnte.


Er kommt doch!


Aber er kommt nur zu den Geduldigen,

die da sind, als ob die Ewigkeit

vor ihnen läge,

so sorglos, still und weit...


Man muss Geduld haben

mit dem Ungelösten im Herzen

und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben,

wie verschlossene Stuben,

und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache

geschrieben sind.


Es handelt sich darum, alles zu leben.

Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich,

ohne es zu merken,

eines fremden Tages

in die Antworten hinein.“


Dieser Text ist sehr tief in mein Herz gefallen und arbeitet dort.

Er beschreibt auf so eine schöne und für mich vollkommene Weise, was Traumaarbeit für mich

bedeutet. Wie oft war ich ungeduldig, wollte schneller heil werden, wollte mein Trauma loswerden, wollte mein Leben leben, war verzweifelt, ob all der ungelösten Fragen in meinem Herzen. Oder ich  habe wie verrückt an meinen Lebensknoten gezerrt und alles, was ich erreicht habe war nur, dass die Knoten noch fester geworden sind, dass es mehr Knoten geworden sind und dass das Ungelöste größer und stärker in mir wurde.


Bis ich erkennen durfte, dass ich auf dem Holzweg bin.

Bis die Worte der Geduld in mein Herz fanden.


Bis ich verstand, dass ich Geduld haben darf und muss mit all dem Ungelösten in meinem Herzen, dass ich all die vielen Fragezeichen in mir lieb gewinnen darf, dass ich sie achten und wertschätzen darf und dass es darum geht, die richtigen Fragen zu stellen und diese dann zu leben!

Dadurch gebe ich den Fragen in mir, dem Ungelösten, dem Verknoteten die Chance sich zu lösen, Antworten zu finden, zu gebären, den Sommer zu erleben und die richtigen Schlüssel für die verschlossenen Stuben in die Hand gelegt zu bekommen.


Wie oft habe ich es erlebt, dass eines Tages die Frage verschwunden war, weil ich in die Antwort hineingelebt habe.

Andere Knoten musste ich geduldig selber lösen, doch auch dies ist eine wertvolle Arbeit. Es lohnt sehr, dran zu bleiben und zu den Geduldigen zu gehören.

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